„Geh aus, mein Herz, und suche Freud…“
56. Wanderfahrt nach Dolgenbrodt vom 31. August bis 2. September 2024
Chronist zu sein, ist einfach schwierig: Man muss aufpassen, wenn etwas Neues geschieht, denn es soll möglichst authentisch festgehalten werden. Vergleichbares gilt aber auch, wenn sich Dinge schlicht wiederholen. Dann muss man zwar weniger aufpassen, aber mehr sich einfallen lassen.
Ich habe nicht sonderlich gut aufgepasst – jedenfalls nicht in puncto Berichterstattung. Unsere Zeit krankt ja nicht zuletzt daran: Alles muss – die Technik macht’s nötig – festgehalten, allem muss ein besonderer Sinn verliehen und ein Publikum verschafft werden. Unser Zwang, den Moment zu dokumentieren: Er erhebt das Banale zum Besonderen, er verhindert, das Besondere zu erleben. Einfach nur ganz dabei sein – welches Glück!
Dieser Ausruf lässt sich aber auch gut und gerne auf das Besondere beziehen, das im Gleichbleibenden wohnt. Durch die Wechselbäder des Lebens hindurch bricht sich unsere Sehnsucht danach Bahn, dass das Gute bleiben möge, wie wir es gemeinsam erlebt haben und dann und wann erinnern.
Unser VL („Vaartenleiter“ = Fahrtenleiter) Harald Schmidt hatte alles gewohnt präzise und weitsichtig organisiert – dafür sei ihm herzlich gedankt.
Das dritte Mal in Folge lief die Fahrt nach gleichem Plane ab. „Fürst Franz“ und „Pirat“– von Kalle (danke auch ihm) ganz sorgsam gerüstet, zogen wir mit nach Zernsdorf. Beim ESV (der Hänger kommt am Ende des Weges vorm Ufer kaum um die Ecke) wurde zuerst noch okuliert, dann aufmontiert und schließlich feine Wurst serviert. Bei strahlender Sonne und freundlicher Wärme fuhren die Gigs übern Krüpel- bis runter zum Dolgensee. Flüssiges hatten wir mit, doch brauchen die Muskeln auch Eiweiß und Zucker. Die Aussicht auf Kuchen in Gussow – und zwar (Dank Dir!) von Renate – gab manch einem Endzug beinahe vollendeten Schwung (zumindest von innen besehen). Noch sechs Kilometer, dann war es geschafft. Erwartungsvoll blickten wir nach unsrer Landung dem Gasthaus entgegen: Ja, alles beim Alten! Aushalten können wir’s hier.
Von Dolgenbrodt aus ging's des Tages darauf nach Klein Köris, wo wir am Stege von „Sparta“ (so nennt sich der dortige Ruderverein) anlegten, uns stärkten und ruhten. Und Herbert, recht eigentlich Dichter und Sänger, chauffierte in mehreren Wellen uns rüber ins Restaurant. Wir speisten und tranken und fuhren dann selig zurück. Am Montag schon machten wir wieder retour in die Heimat und an Kilometern die sechzig dann voll.
Elf Männer waren wir, zwischen 47 und 82. Krankheitsbedingt konnten kurzfristig einige Kameraden nur gegrüßt werden und grüßen lassen. Des Abends beim Resümieren und Spintisieren waren sie alle gleichwohl mit dabei. Und's war doch auch wie immer: Wir saßen in einem Boot. Gemeinsam trotzten dem Wasser die Wege wir ab. Gemeinsam schwiegen wir stille und sogen das Glück von der Schönheit des Landes in uns hinein. Gemeinsam erhoben wir schließlich die Gläser und freuten uns dankbar des Lebens in Frieden und Freiheit. Eines war neu: Des Abends hob an manch froher Gesang. Doch auch wenn Groß-Köris am Paul-Gerhardt-Wanderweg liegt und, wie der Leser erkannt haben wird, unsere Herzen ausgingen und Freude fanden: Ausnehmend fromm war'n sie nicht, uns're Lieder, und auch der Bess‘rung der Menschheit dienten sie kaum. Aber schön war’s trotzdem.
JB